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Die Zähne der Drachen in der Eifel


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Zum Abschluss sind wir noch zum Hollerather Knie gefahren. Die Sonne stand schon tief, der Wald wurde still, und vor uns ragten sie aus dem Boden: Reihen aus Beton, spitz wie Zähne – die berühmten Drachenzähne vom Westwall.


Ich lief voraus. Zwischen Gras und Farn fühlte sich jeder Schritt ein bisschen feierlich an. Die Luft roch nach Harz und Abend. Auf manchen Zähnen standen Buchstaben. Ich strich mit der Hand darüber und spürte den rauen Beton. Papa erzählte leise, dass hier früher der Westwall verlief – Bunker, Sperren, Panzergräben. Harte Zeiten. Und dass die Buchstaben ein Kunstwerk sind: Sätze aus „Zum ewigen Frieden“ von Immanuel Kant.


Frieden. Ein großes Wort an einem Ort, der mal Krieg gesehen hat.


Wir stiegen den Rand vom alten Panzergraben hinunter. Der Boden war feucht, die Hänge steil. Papa zeigte nach Westen: „Hier haben sie 1944 an der Ardennenoffensive gekämpft. Die Linien hier – vier- und fünfzügig – sollten Panzer aufhalten.“ Ich nickte und sagte nichts. Manchmal ist Schweigen besser.


Zwischen den Zähnen stand ich ganz still. Die Spitzen wirkten im letzten Licht wie Schatten von Riesen. Ich las die Worte auf dem Beton – über Heere, Verträge, kein Gift, keine Hinterhalte. Ich bin ein Rabauke, klar, aber mir wurde warm ums Herz. Vielleicht, weil ich Mamas Hand in meiner erinnere. Vielleicht, weil Nala neben uns saß und leise atmete. Oder weil ich begriffen habe, wozu diese Zähne nicht mehr da sein sollen.


„Papa?“ – „Ja, Ragnar?“ – „Gut, dass die hier jetzt von Frieden sprechen.“

Papa legte mir kurz die Hand auf die Schulter. „Genau deswegen kommen Leute her. Um zu erinnern. Und um’s besser zu machen.“


Die Sonne kippte hinter den Kamm, das Licht wurde golden. Wir gingen die Reihe entlang, Buchstabe für Buchstabe, Zahn für Zahn. Und ich dachte: Manche Orte sind laut, obwohl niemand ein Wort sagt.


Auf dem Rückweg drehte ich mich noch mal um. Die Drachenzähne standen da wie Schachfiguren, die niemand mehr ziehen will. Ich hob die Hand, als würde ich kurz winken, und flüsterte: „Zum ewigen Frieden – klingt gut.“


Dann sind wir gegangen. Zusammen. Und irgendwie leichter.




 
 
 

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